Gerne nehmen heimische Politiker, Medien oder Prominente hierzulande das Wort „Spendenweltmeister“ in den Mund. Der gelernte Österreicher ist von seiner noblen Großzügigkeit überzeugt – man ist zwar eines der reichsten Länder der Welt, gibt aber auch dem entsprechend allen Bedürftigen.
Oder?
Eine kurze Google-Suche zum Thema Spendenweltmeister spuckt neben den Schlagzeilen patriotischer Jubelblätter wie „Heute“ oder „News“ auch einen ganzen Haufen bundesdeutscher Ergebnisse aus. Sogar unsere Schweizer Nachbarn dürften den Titel bei Bedarf in Anspruch nehmen.
Wohlan, denke ich mir also, auf zur lustigen Zahlensuche!
Im Jahre 2006 präsentierte „News“ eine Market-Umfrage zum Thema. Ohne hier näher auf die einzelnen Zahlen eingehen zu wollen – die Umfrage kommt zu dem Schluss, dass von denen, die behaupten zu spenden, durchschnittlich 20 Euro pro Jahr gegeben werden. Bei einem mittleren Einkommen von rund 20.000 Euro brutto im Jahr ergibt das also einen Anteil von 0.1%. Zur Vereinfachung der Rechnung habe ich das Spendenaufkommen auf- und das Einkommen abgerundet – so gesehen ist’s sogar noch ein bisschen weniger.
Aber weiter im Text: Auf Wikipedia gibt es eine Liste der spendenfreudigsten Länder. Zwar ist Österreich darin nicht enthalten, allerdings werden zwölf Länder miteinander verglichen, von denen die USA mit 1,67% des BIP am meisten spenden. Schlusslicht ist Frankreich mit 0.14%.
Weitere Recherchen ergeben ein ähnliches Bild: Österreich scheint zwar über dem europäischen Durchschnitt zu liegen – von einem Platz an der Spitze kann aber keine Rede sein. Zur Verteidigung des Nationalstolzes muss allerdings auch gesagt werden, dass Österreich im Vergleich bei der Internationalen Entwicklungshilfe relativ gut abschneidet. Hier belegen „wir“ in absoluten Zahlen Platz 16 (obwohl wir nur das ca. 25. reichste Land der Welt sind) – relativ zum Einkommen der Bevölkerung gesehen ist Österreich sogar auf Platz 10 was die Entwicklungshilfe angeht. Hier werden die vormals führenden USA auf Platz 23 verwiesen – somit relativiert sich deren außergewöhnlich gutes Ergebnis bei den privaten Spenden wieder ein wenig.
Trotzdem wage ich zu bezweifeln, dass das von den jeweiligen Spendern so weit rationalisiert wird, dass man sagt: „Ich zahl‘ doch eh so wenig/so viel Steuern, deswegen spende ich auch dementsprechend.“
Alles in Allem bleibt jedenfalls bei näherer Betrachtung nicht viel übrig vom Mythos des Spendenweltmeisters – kein Grund also, sich auf derartigen Behauptungen auszuruhen.
Kleiner Trost zum Abschluss: Auch unsere deutschsprachigen Nachbarn nehmen es mit der Wahrheit nicht so genau, wenn es um das nationale Gewissen geht. Sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz sind die Menschen ähnlich großzügig oder geizig wie in Österreich.